Die Spur des Rens

25.12.14

Es wurde kälter und in den Nächten begannen die ersten frostigen Phasen, welche dazu führten, dass auch die letzen Blätter von den Bäumen fielen. Morgens lag Reif auf den Gräsern und in den Fenstern bildeten sich Eisblumen, die herunterliefen, sobald die Sonnenstrahlen die Scheibe erreichten.

Saschandra ritt mit dem Pferd zum Wirtshaus. Sie wollte Wein holen. Mit einem Satz aber, blieb das Pferd auf einer Lichtung stehen und schnaubte. Dann sprach es: „Hör mir zu Hexe. Es muss jetzt zu einer Entscheidung kommen. Ich bin kein Pferd und das weißt du. Noch vor dem ersten Advent musst du dich entscheiden, ob du mir helfen willst und vor dem letzten Advent, dem vierten, musst du deine Entscheidung in eine Tat umsetzen!“

Die Hexe stieg ab. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie sich wieder erinnern konnte und der Zauber von ihr abfiel. Sie fragte: „Helfen? Wobei soll ich dir helfen?“ Das Pferd verwandelte sich wieder in einen Elch und mit einer viel dunkleren Stimme als früher sagte es: „Ich will wieder ein Mensch werden!“

Man hätte eine Nadel fallen hören können, so still wurde es plötzlich im Wald. Die Vögel hörten auf zu zwitschern, die Bäume hörten auf zu rascheln, der Wind schlief ein und  ein letztes Herbstblatt flatterte zu Boden.

Keine Bewegung schien mehr von dem Flecken Erde auszugehen, an dem sich die Hexe und der Elch befanden, als Saschandra antwortete: „Ja, und wie und warum und was?“

Der Elch erzählte ihr, dass es eine Hexe benötige, um aus einem Renntier wieder einen Menschen zu machen. Er sagte ihr, dass er schon sehr, sehr lange im Dienste des Weihnachtsmannes stünde und es Zeit sei, sich zu verändern. Jedoch erzählte er ihr nicht, dass nur sehr böse Menschen, deren Geister nicht einmal die Hexen für sich beanspruchen mochten, zu Renntieren werden konnten. Ihre Geister wurden in Huftiere verbannt und unter ihnen wurden die Renntiere ausgesucht.

Saschandra überlegte und mit einem Mal wurde ihr klar, dass die Kinder und alle anderen doch auf ihre Geschenke warten würden, wenn das Renntier zu Weihnachten nicht im Zaumzeug des Schlittens hänge.  „Was soll dann aus unseren Geschenken werden?“ Das Renntier blickte sie lange an. „Du darfst dir etwas wünschen. Ich werde dir jeden Wunsch erfüllen. Gleich heute und lange vor Weihnachten!“

„Eine Burg mit einem Saal voller Gold und Edelsteine!“ entfuhr es ihr und zwischen zwei Felsen öffnete sich schabend ein verborgener Gang. Der Elch schritt hindurch. Die Hexe folgte neugierig, die Arme hinter dem Rücken verschränkt. Der Gang führte zu einem Tal, in welchem eine Festung stand. Die Tore waren offen und der Elch deutete Saschandra an hineinzugehen: „Dort wirst du deinen Saal finden!“

Die Hexe trippelte in die alte und sehr brüchige Festung und stand in einem großen Raum mit vielen Erkern und Seitengängen, dessen Hauptsaal angefüllt war mit Gold. Aber etwas Unheimliches ging von diesem Gold aus. Irgendetwas schien darunter zu leben. Sie kannte die alten Geschichten, die man sich von solchen Räumen erzählte und mit zusammengekniffenen Augen suchte sie das Gold ab. Plötzlich sah sie ihn. Einen jungen Drachen. Kaum größer als Saschandra selbst, schlief er friedlich auf einem Goldberg in einer Ecke des Raumes.

Schnell nahm die Hexe eine Truhe voll mit Gold und Edelsteinen und lief nach draußen, wo der Elch auf sie wartete. „Lass uns lieber gehen!“ Saschandra drängte zum Ausgang und hinter ihnen schloss sich der Zugang zu der Festung.

„Ich kann wieder hierhin zurückkehren, wenn ich es will?“ knirschte Saschandra unter der schweren Last. Der Elch erwiderte: „Es ist deine Burg, Hexe! Du kannst kommen, wann du willst und mitnehmen, wen du willst!“ „Und wie soll ich es nun anstellen, dass du wieder ein Mensch werden kannst?“ fragte sie.

Die Worte des Elchs hörten sich an, wie ein Donnergrollen: „Du musst mich töten!“

Damit hatte Saschandra nicht gerechnet. Sie wich zurück und mit pelziger Stimme sagte sie: „Gut, aber nicht sofort, ich muss erst noch nach Hause!“

Der Weg war lang, wenn man nicht auf dem Rücken eines Pferdes saß und die Truhe, welche die Hexe mal schleppte, mal hinter sich her zog, schien immer schwerer zu werden. Als sie endlich die Türe erreichten, war es schon später Nachmittag und Britney war gerade damit beschäftigt, Kekse zu backen, als sie durch das Fenster das leuchtende Geweih des Elches erblickte und erkannte, was los war. Schnell lief sie zu Veranda und rief: „The Zauberspruch, den wir über Saschandra verhängt hatten, ist nickt mehr wirkend!“

Ihre Schwester kam in die Stube und hievte ächzend die Kiste unter ihre Hängematte. „Kinder’s wir sind reich!“

Als sie erzählt hatte, was geschehen war, waren die Schwestern nicht dafür den Elch zu töten. Erstens rechneten sich Veranda und Britania aus, dass der Elch ihnen weitere Wünsche erfüllen konnte und zweitens, waren sie der Meinung, dass Saschandra immer noch lüge und den Elch nur schlachten wolle, um ihn zu essen.

Sie schlossen den Elch erst wieder in den Stall. Als Saschandra aber immer nervöser wurde, weil sie dem Elch versprochen hatte, noch vor dem letzen Adventstag seinen Wunsch zu erfüllen - und es nahte bereits der zweite Advent - sahen die anderen beiden Hexen, wie sich ihre Schwester mit einem langen Messer bewaffnet, zum Stall aufmachte. Ihr Kopf war gesenkt und der Blick fest nach vorne gerichtet. Ihre Augen hätten Funken sprühen können. 

Brittania stellte sich vor die Türe und Veranda hielt Saschandra fest. Dann eilte Brittney in den Stall und band den Elch los. Sie rannte mit ihm in den Wald.

Als sie zurück kam, schritt sie jedoch sehr seltsam über die Wiese, auf welcher der erste Schnee gefallen war. Es schien als stünde sie unter Hypnose. „Was ist jetzt wieder los!“ fragte Veranda. „Ach, nickts – eigentlich – ich habe den Elch versteckt, aber ich denke, Saschandra hat wohl doch recht. - We should kill him! - Yes! - Wir sollten ihn töten!“

„Du spinnst!“ rief Veranda. „Der Elch muss zurück zum Weihnachtsmann, sonst gibt es keine Geschenke.“

Brittania hatte mit dem Elch gesprochen und er hatte auch ihr einen Wunsch versprochen, wenn sie ihn umbringen wolle. Sie hatte sich sämtliche Pferde und alles was so genannt würde, gewünscht. Nun brauchte sie einen größeren Stall.

 „Wo ist der Elch jetzt?“ fragte Veranda. „Ich habe the Elch im Wald festgebunden!“ antwortete Brittney und machte sich bereits Gedanken, wie sie den Elch zur Strecke bringen wollte. Messer, Pfeile, Speer – vielleicht!

„Ich übernehme das jetzt und ihr lasst den Elch in Ruhe, bis ich eine Lösung gefunden habe. Ist das Klar?“ sagte Veranda laut und als ihre Schwestern demütig genickt hatten, ging sie erhobenen Hauptes aus dem Haus, suchte den Elch, fand ihn und brachte ihn zurück in den Stall.

Der zweite Advent verstrich und der Tag, an welchem die dritte Kerze angezündet wurde, nahte. Täglich gab es Auseinandersetzungen zwischen den Schwestern. Sie gingen sogar auf einander los, stritten sich und verletzen sich gegenseitig.

Als sie die dritte Kerze entzündet hatte ging Veranda wütend hinaus in den Stall, um den Tieren frisches Heu zu geben. Der Elch sah sie vertrauensvoll an und sprach in sanftem Bariton: „Veranda. Es ist nichts Schlimmes daran, mich zu töten. Du musst dich nicht davor fürchten. In jedem Jahr werden neue Renntiere bestimmt. Es muss nur rechtzeitig geschehen, damit der Weihnachtsmann ein neues Ren aussuchen kann und wir sind jetzt schon sehr spät dran. Wenn du möchtest, dass die Kinder und auch du, die Weihnachtsgeschenke rechtzeitig bekommen, müsst ihr mich jetzt töten!“ Den letzten Satz hatte er so eindringlich gesprochen, dass auch Veranda nicht mehr anders konnte. Sie sagte „Ja.“, und ging zurück ins Haus.

 

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Autor:

Iren Buchdruck

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