Die Spur des Rens

26.12.14

Am Nordpol herrschte große Aufregung. 

Die Weihnachtsvorbereitungen waren angelaufen und die Geschenke wurden bereits geliefert und verpackt. Der Weihnachtsmann hatte dem Nikolaus erklären müssen, dass der Schlitten nur bedingt einsatzbereit sei, da ein Ren fehle und der Schlitten deswegen ungerade laufe. Der Nikolaus hatte einige Mühe gehabt, alle Schuhe zu füllen. Er beschränkte sich auf die lieben Kinder und warf den anderen lediglich etwas zu, ohne den Schuh zu treffen.

Aber als der dritte Advent vor der Türe stand, und das fehlende Renntier immer noch nicht erschienen war, wurde die Himmelpolizei alarmiert. Engel 07 nahm persönlich die Ermittlungen auf. Der Weihnachtsmann wusste, dass sich Rennerich zuletzt im Zauberwald aufgehalten hatte und der Nikolaus hatte auch so eine Ahnung. Er hatte erfahren, dass die Hexe Saschandra einer Rentierspur nachgegangen war. Aber er hatte sich nichts dabei gedacht.

Ein Blick in die weiße Schneekugel des Weihnachtsmannes brachte Gewissheit. Saschandra war mit Rennerich durch den Wald in Richtung auf das Hexenhaus gegangen. 

 

Sofort wurde die folgende dringende Meldung über Facebook herausgegeben:

"Saschandra, gar nicht dumm,
ging allein im Wald herum,
es ward Herbst und sie sang,
das verbotne Liedel dann,
fand im Wald dies Spur des Rens,
was uns seit dem fehlns!"

Der Weihnachtsmann

Die Himmelspolizei hat die Ermittlungen aufgenommen und unter der Leitung von Engel 07 einen Steckbrief mit Foto des verlorengegangenen Rens des Weihnachtsmannes herausgegeben.

"Der Schlitten wird nicht rechtzeitig ankommen, wenn wir das Renntier nicht finden"
erklärte der Sprecher der Himmelspolizei.

Die Hexe Saschandra wird in diesem Zusammenhang gebeten, sich zu melden!

 

Aber die Hexe meldete sich nicht. Nun zählte Engel 07 Eins und Eins zusammen. Er nahm sich zwei Wichtel und suchte nach dem Häuschen der Hexen.  

Als der Ermittler an die Türe des Häuschens klopfte war es bereits zu spät. 

Saschandra, Britannia und Veranda hatten in der Nacht zuvor auf das Renntier mit einer Axt eingeschlagen. Nun machten sie sich ein Süppchen. Dennoch blieben sie völlig ruhig und gelassen, als Engel 07 mit den verbeamteten Wichteln eintrat, so, als ob sie die Unschuld in Person seien.

Engel 07 befragte die Drei, die aber den Kopf schüttelten und meinten, sie hätten zwar ein Ren zu Besuch gehabt, aber diesem nicht geschadet. Es sei alles in bester Ordnung. 

Der Ermittler glaubte den Aussagen nicht und nahm zunächst Saschandra mit, da sie zuletzt mit dem Renntier zusammen gesehen wurde. Saschandra versuchte noch Engel 07 und die beiden Wichtel mit Gold zu bestechen, kam aber in Untersuchungshaft. Ihre beiden Schwestern waren fassungslos. Sie wurde zu dem gut gepolsterten Schlitten geführt und in Windeseile ging es in die Schneestadt. Dort führte man sie inmitten der ganzen weißen, kalten Pracht in ein Schneegefängnis, welches bewacht wurde von zwei Schneemännern.

Nach etwa einer Stunde kam es zum Verhör und Engel 07 hatte empfindliche Methoden, um einer Hexe beizubringen, dass es das Beste für sie war, die Wahrheit zu sagen.

Saschandra erzählte die Geschichte bis zum gestrigen Tage und ließ dabei lediglich aus, den Eingang zu ihrer Burg zu verraten. Engel 07, der inzwischen auch dem Teufel bescheid gegeben hatte, dass es einen Vorfall gab, bei der eine seiner Hexen in Konflikt mit dem Weihnachtsmann geraten war, fragte: „Und was genau geschah gestern?“

Saschandra schluckte heftig: „Wir gingen alle drei in den Stall und näherten uns dem Elch. Sein Geweih leuchtete stärker als sonst und es pulsierte heftig zwischen Rot, Grün und Blau. Wir fragten ihn nochmals, ob er wirklich sterben wolle und er nickte. Dann zog Veranda die Axt, die bei der Stelle im Stall stand, wo Britney sonst Holz hackte, aus der Schutzhülle. Wir haben den Holzstiel alle drei fest umklammert und hoch über den Kopf des Elches gehoben. Es muss ausgesehen haben, als würden drei Cheerleader einen Turm bilden. Ich sah dem Elch in die Augen. Er schien zu mir zu sprechen: „Hab’ keine Angst – tu es!“ Wir ließen die Axt heruntersausen und sie traf den Elch auf das Geweih.

Engel 07 stützte seine Stirn mit einer Hand, als sich sein Kopf herabsenkte, stieß den Ellbogen auf den Eistisch, schloss die Augen, atmete hörbar ein und schnaubte aus: „Oh - nein!“

Saschandra schüttelte den Kopf mit den wilden schwarzen Haaren: „Aber es ist gar nichts Schlimmes passiert. Es gab einen hellen Lichtschein, der Elch teilte sich in weitere zwei Elche und in der Mitte fiel ein Mensch heraus!“

„Ein Mensch!“ stöhnte Engel 07 auf. „Habt ihr ihn euch genau angesehen?“ Die Hexe zuckte mit den Schultern: „Ja natürlich. Er war nackt!“

Durch die Zähne kam ein verbissenes, zischendes: „Ja - Und!“ des Ermittlers. Er schien sich kaum noch beherrschen zu können. „Ähm, ja. Es war schon etwas seltsam. Nicht das er irgendeine fremde Sprache gesprochen hätte, aber als wir den nackten Körper des Menschen genauer untersuchten, stellten wir fest, dass er Zweigeschlechtlich war.“

Der Ermittler stöhnte auf: „Na – wunderbar! Ihr habt es tatsächlich gewagt, ein Ren auf die Erde zu bringen, einen zweigeschlechtlichen Menschen. Es wird niemals ein Mann und niemals eine Frau sein. Immer wird es sich ausgegrenzt und gedemütigt fühlen. Wisst ihr eigentlich, wie viele Rens sich umgebracht haben, weil sie nicht wussten was geschehen würde und sie dachten, sie könnten als ganz normale Menschen leben?“

„Nee, das konnte ich nicht wissen! Echt – ich dachte nicht einmal daran. Es muss ein Zauber auf mich eingewirkt haben. Aber dies sagte ich ja bereits. Ich hätte sonst niemals so gehandelt!“ versuchte Saschandra zu besänftigen. „Wir haben dem Menschen dann Kleidung gegeben, etwas zu essen, und ins Wirtshaus gebracht. Dort arbeitet es nun als Bedienung!“

Saschandra kicherte: "Der Umsatz ist seit dem gehörig gestiegen!"

Nun, da der Ermittler wusste was geschehen war, konnte Saschandra zunächst nach Hause. Der Schlitten brachte sie zurück. Aber der Teufel war ungehalten. Eine seiner Töchter hatte dem Weihnachtsmann Ärger bereitet und als er zudem erfuhr, wie sie sich daran bereichert hatten, wurde er geradezu wütend. 

Da es aber kurz vor Weihnachten war und das Christkind erwartet wurde, konnte der Teufel nicht mehr zu den drei Hexen eilen. Er musste sich vorbereiten, um in den Tannenbaum zu fahren, weil das Christkind den Teufel in einen harmlosen, liebevollen Menschen verwandeln würde, wenn es ihn sähe und es wäre aus mit seiner Herrlichkeit und es musste schnell gehen, denn der Weihnachtsmann hatte bereits ein neues Ren eingebunden.

Für ein ordentliches hessisches Gerichtsverfahren, welches in aller Schnelle einberufen worden war, war  es auch zu spät. Die Rechtsanwältinnen der drei Hexen beriefen sich auf einen Dynastiefall und es gelang ihnen das Verfahren einstellen zu lassen.

Bevor der Teufel in den Weihnachtsbaum fuhr, sagte er aber an, Saschandra und ihre Schwestern für ein Jahr ins Wunderland zu entsenden, um zu klären, welche Auswirkungen dies alles auf die Matrix habe. 

Die Hexen waren zufrieden, als der Teufel am Tag vor Heilig Abend im Weihnachtsbaum verschwunden und versteckt war, konnten sie somit doch alle Geschenke einheimsen und der Teufel durfte das Gefühl genießen, dass ihm alle Geschenke zu Füssen liegen.

 

counter

endschatten

Autor:

Iren Buchdruck

Quelle

Copyright Tauka® 2010