Saschandra's Schleifhexenprüfung

28.03.16

Bereits 2004 hatte sich Saschandra zu einem Ausbildungsprojekt als Schleifhexe angemeldet. Da Hexen nicht arbeiten wird die Ausbildung als Projekt angeboten. Die Projektteilnehmer sind somit keine arbeitenden Hexen, sondern bezahlte Projektschleifhexen. Im menschlichen Leben, würde man sie wohl Manager nennen.

Eine Anmeldung kann eigentlich jede Hexe einreichen, aber es werden nicht alle Anmeldungen beantwortet. Saschandra erhielt jedoch eine Möglichkeit zur Vorprüfung.

Die Vorprüfung umfasste eine Grundausbildung und anschließend einen praktischen Test, der jedoch sehr, sehr schwierig ist.

Während der Ausbildung klagte sie darüber, dass andauernd jemand hinter ihr stünde und ihr über die Schulter schauen würde. Außerdem wurde ihre Arbeit andauernd ausgelacht. Es waren britische Hexen, welche Saschandra Ärger bereiteten. Sie ließen ein helles, aufdringliches Lachen über sie aus und es mal links, mal rechts an ihren Ohren ertönen.

Wie bei einer Lehre üblich, musste sie vieles ertragen. Wasser tragen, mit Titanen Schleifmittel anfertigen und ausbringen, was sehr schwer war, in allen Ecken sauber machen und nur manchmal ließen sie die Ausbilder, wirklich üble Hexen, an einen Rohling, um diesen zu bearbeiten.

Ständig verlangten die Hexen auch andere Dinge von Saschandra, die eigentlich gar nichts mit der Ausbildung zu schaffen hatten. Mal sollte sie sich um quietschende Türen in Schlössern kümmern, was sie ja noch machte, die jedoch davon nicht besser wurden und ständig weiterquietschten und dann schräg hängende Bilder gerade hängen, die alsbald  wieder schräg hingen. Aber schließlich wollten die Hexen, dass sie sich um alberne, in Mäuse verwandelte Kinder kümmere. Dies lehnte sie ab und die Hexenausbilderinnen drohten ihr mit Ausschluss von der Prüfung. Saschandra wurde in einen Hundekäfig gesperrt und musste mit Dalmatinern zusammen essen. Es war erniedrigend. Die britischen Hexen aber hatten ihren Spaß.

Nachdem die Grundausbildung beendet war, wurde sie zur praktischen Prüfung in einen brennenden Raum geführt und sollte aus einem Rohling einen Teufelsdreizack schleifen. Hexen des Ori-Ordens überwachten ihre Arbeit.

Saschandra hatte oftmals heimlich während der Aufräumzeit die Bewegungen der schleifenden Hexen nachgeübt, die sich zum Schleifen wie im Tanz bewegten. Zudem hatte sie vor Antritt der Grundausbildung einen Solinger Kreuzbuben befragt und der hatte ihr einen geheimen Trick verraten.

Sie hatte niemanden davon berichtet, was sie in Erfahrung gebracht hatte und hatte den Trick auch noch niemals angewendet. Weder die Prüfer noch die britischen Hexenausbilderinnen hatten eine Ahnung von ihrem Wissen.

Deswegen nahm sie magnetischen Stahl und begann sich im Rhythmus einer unhörbaren Trommel zu bewegen. Sie schliff und schliff und weder die Hitze des brennenden Raumes, noch der schwer zu bearbeitende Stahl brachten sie aus dem Takt.

Es war eine ungeheure Anstrengung die Schleifabfälle vom magnetischen Stahl fern zu halten und Saschandra musste all ihre magische Kraft aufwenden um zu verhindern, dass sich das abgeschliffene Material wieder mit dem Rohling verband.

Sie wiegte tanzend und in sich selbst versunken um den Dreizack herum und es sah aus, als befinde sie sich in einer Wolke aus Eisen, von dem nur der Rand in die Feuerwände eindrang und Funken sprühend aufleuchtete.

Die Prüfer schüttelten den Kopf und sahen ihr gebannt zu. Die Ausbilderinnen konnten sich kaum auf dem Platz halten, wussten sie doch nicht, ob sie erklären sollten, dass sie ihr dies beigebracht haben, oder das Ganze als eine üble Machenschaft, eine Intrige, oder einen verbotenen Zauber anprangern sollten.

Saschandra arbeitete gut einen Tag und legte schließlich den Dreizack vor den Prüfern auf ein purpurnes, samtenes Tuch, welches sie selbst zu diesem Zweck ausgesucht hatte. Da nickten die Prüfer nur und sagten ihr, sie werde wieder von ihnen hören.

Es vergingen Jahre und Saschandra hatte die Schleifvorprüfung bereits vergessen, als im Jahre 2015 plötzlich ein Brief im Kasten lag.

Sie wurde zur weiteren Ausbildung bestellt und der Brief trug ein britisches königliches Siegel der Hexengemeinschaft.

Die Hexe, die mit ihren Schwestern in einem kleinen Häuschen mitten im Wald wohnte stieß einen spitzen Schrei aus, der noch Kilometerweit zu hören war. Sie feierte zusammen mit ihren Schwestern drei Tage und Nächte lang zu Sambaklängen und indianisch klingender peruanisch-chilenischer Musik. Dieser Stil war unter den Hexen 2016 sehr beliebt und Saschandra sowie ihre Schwestern waren musikalisch, spielten sogar eigene Instrumente, die man in manchen Nächten durch den Wald schallen hörte.

Die Reise, die mit der zweiten Ausbildung verbunden war, führte sie nach Hogwarts zur Schule der Hexerei und Zauberei. Saschandra wusste, dass bereits Harry Potter hier Unterricht genommen hatte. Die Ausbildung konnte nach erfolgreicher Hauptprüfung mit einem Schleifdiplom abgeschlossen werden. Die Prüfung untergliederte sich in einen mündlichen, einen schriftlichen und einen praktischen Teil.

Natürlich waren ihre Schwestern traurig, als Saschandra sie verließ und mit Tränen in den Augen verabschiedeten Veranda und Britannia, die überglückliche Hexe.

Saschandra zog einen schweren Holzkoffer hinter sich her, der im Wald eine tiefe Rinne hinterließ und erreichte nach einer langen Wanderung über Wiesen und Felder endlich den Bahnhof, dessen Zug sie nach London zum Bahnhof Kings Cross brachte und wo sie am Gleis 9 ¾  verschwand,  um den Zug nach Hogwarts zu besteigen.

 

Der Hogwarts-Express brachte die Hexe mit Gepäck in das Dorf Hogsmeade, wo sie ein Zimmer erhielt. Das Schloss in Sichtweite freute sie sich auf den ersten Tag des Unterrichts und richtete ihre Bleibe mit ein paar persönlichen Dingen ein. Darunter fand sich ein Schwarzes Ei, welches sie in das Fenster stellte, denn Saschandra und ihre Schwestern waren Wächterinnen des Eis. 

Auch einige Zauberbücher hatte sie in London noch besorgt und einen neuen Zauberstab. Die waren in London besonders gut und günstig.

Die Schleiferei war noch ein recht junges Fachgebiet auf Hogwarts und die Räumlichkeiten waren nicht vollständig fertig gestellt. Im Prinzip handelte es sich um eine Baustelle.

Die Hexen bekamen aber alles was sie benötigten, um das Hexenwerk des Schleifens zu erlernen und spezielle Anwendungen zu beherrschen. Sie lernten das hexische Schleifen von Gesichtern, genauso, wie das Feinschleifen von Voodoopuppen, die mit einem Haar eines Opfers versehen, dem ursprünglichen Besitzer des Haares alle Qualen verursachen konnten, die der Voodoopuppe angetan wurden. Der Schliff war sehr speziell.

Außerdem wurde Unterricht in den Fächer Windschliff, Sandschliff und Wasser- und Eisschliff mit Spezialisierung auf Gletscherschliff angeboten.

Sie notierte sich eifrig alle Einzelheiten und besuchte ein Fach nach dem anderen und bald hatte sie Skripte zu Schraubenschliffen, Bring- und Holschliffen, sowie Abhandlungen zum geschliffenen Wort, der geschliffenen Aussprache und dem letzten Schliff.

Im praktischen Teil lernte sie, wie man Berge mit Hilfe von Gletschern abschleift, fertigte Schliffbilder an, die sogar in Hogwarts ausgehängt wurden und hatte eine Schleifprobe am Hünengrab anzufertigen. Dazu machten sie eine Exkursion nach Stonehenge, wo sich die britischen Hexen mit Vorliebe versammelten.

Auf dem Weg nach Stonehenge lernte sie die Hexe Dilara kennen, die eine Tochter einer der Ausbilderin der Vorprüfung war und extra ein Jahr gewartet hatte, um mit Saschandra zusammen die Schleifschule von Horgwarts besuchen zu können. 

In Stonehenge diskutierten sie die Frage, ob die Hexen an den Steinen Windschliff, oder doch Wasserschliff eingesetzt hatten. Sie erkannten an einigen Steinen Bringschliff, während andere den Holschliff aufwiesen, was ein Hinweis darauf war, dass die Steine von weit her kamen.

Saschandra wurde darauf nach London eingeladen, wo sie eine Referenz in Diamantenschleifen abgeben sollte. Es waren tatsächlich die Kronjuwelen, welche sie darauf in den Händen halten würde und der Hexe wurde ganz anders. Jedoch wusste sie, dass sie im Tower landen würde, wenn auch nur ein Stein fehlte oder nur an Gewicht verlor. Diese Einladung rief natürlich den Neid der anderen Hexen hervor.

Die Weihnachtszeit rückte näher und wie alle Hexen hatten Dilara und Saschandra gehörige Angst vor dem Nikolaus. Als es soweit war und sie ihre Schuhe vor die Türe des Zimmers in der Gaststube stellten, waren sie überaus verwundert, dass der Nikolaus sie ohne Beanstandung bedacht hatte. Es lag sogar ein Zettel darin, dass sie beide sich zwei Tage nach Weihnachten in London einfinden sollten und die Fahrkarte war daran angeheftet.

Saschandra hatte keine Ahnung, was sie in London erwarten würde. Im Zugabteil unterhielt sie sich mit Dilara über das gelungene Weihnachtsfest auf Hogwarts. 

Der Teufel war wie üblich bis kurz vor der Bescherung anwesend um dann im Weihnachtsbaum zu verschwinden und sich vor dem Weihnachtsmann zu verstecken und blieb dort bis Neujahr, weswegen er sich wieder einmal beschweren würde, dass die anwesenden Hexen ihm seine  Geschenke gestohlen hatten, die vor ihm abgelegt worden waren, wie er behauptete und diese zurückfordern würde. So viel war allen Hexen bereits klar.

Dilara und Saschandra überlegten, wie sie ihre Geschenke vor dem Teufel verbergen konnten.

Als sie in London ankamen regnete es.  Die Feuchtigkeit drang unter ihre Rocke und es war schlüpfrig auf den Strassen. Dilara wusste wohin sie gehen mussten. Sie hatte genauere Anweisungen erhalten.

Es handelte sich um eine Einladung zu einem medizinischen Eingriff, zu dem nur sehr wenige Hexen herangezogen wurden. Es sollten Stimmbänder geschliffen werden.

Saschandra staunte, als sie in den Räumlichkeiten eines alten Arzthauses an ein Operationstisch geführt wurde und mit dem Patienten bekannt gemacht. 

Es war David Bowie.

Zunächst assistierte Saschandra nur und wünschte sich ihre beiden Schwestern zu sich, damit diese ihr Beistand geben konnten, aber diese waren wohl zu beschäftigt um ihren Wunsch zu hören.

Dann aber sollte sie die Stimmbänder des bekannten Sängers, der einen so wundervollen Charakter  hatte, selber bearbeiten. In diesem Augenblick war sie eine Sekunde lang abgelenkt. Sie erblickte ein Briefchen unter dem Operationstisch auf dem geschrieben stand:

"Mir geht es gar nicht gut, ohne dich! Ich liebe dich über alles. Bitte gib uns noch eine letzte Chance - bitte! Ich schwöre auf meine Kinder, dass ich mit Anderen nie etwas hatte. Ich war dir immer Treu - immer. Ein anderer Mensch kommt mir nie wieder in die Nähe und ich habe alle Männernummern von meinem Handy gelöscht. 

Ich will dich nicht verlieren.

Bitte lass uns nochmals über alles reden, mir geht es nicht gut!

Ich war dir immer treu!

Ich werde dich immer lieben!

Es wird alles sein!!!

-Dilara-"

 

Einen Moment später war das Briefchen verschwunden.

Saschandra beendete ihre Arbeit an den Stimmbändern und Dilara gratulierte ihr zu dem Eingriff. 

Dilara reiste sogleich wieder nach Hogrwarts ab und Saschandra begab sich einen Tag später in das königliche britische Schloss, um die Diamanten zu schleifen, die eigentlich nur so sanft poliert wurden, als würde man sie abstauben, dann reiste auch sie wieder nach Hogwarts.. 

Zusammen mit Dilara legte sie mit Erfolg die Schleifhexenprüfung ab und Saschandra kehrte mit dem Diplom in der Tasche zurück in ihr kleines Wäldchen zu den Schwestern.

Doch bald darauf erreichte das Häuschen, die Nachricht, dass David Bowie verstorben war.

Die Hexen trauerten sehr!!!

 

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Autor:

i.A. Steffen Sprotwind

Quelle

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