Der Mord (Surreale Geschichte vom Discothekensterben)

17.11.13

Frank Gutglaube und ich gingen nochmals in die Discothek in der wir waren, als die Europameisterschaften begannen. Dies war nichts Ungewöhnliches, denn trotz des Discothekensterbens, war diese Gaststätte noch gut besucht.

Wir drängten uns zur Tanzfläche hindurch und ich beobachtete die, sich im zuckenden Licht bewegenden und krümmenden, Leiber der Mädchen und Jungen.

Während die Musik ein Lied von b.o.s.c.h. "Ich will Mehr", spielte ging auch ich auf die Tanzfläche und im Rhythmus der verschiedenen sich überschneidenden Takte warf ich meine Gliedmaßen durch die lasergeschnittene Luft.

Schweißüberströmt, aber mit einem guten Gefühl ging ich danach zurück an die Theke und bestellte mir einen Bananensaft.

Ich unterhielt mich mit Frank über die Berichte der EM, da hatte ich unvermittelt den Eindruck angesprochen zu werden. Innerlich. Nicht als wenn jemand durch die Musik hindurch laut in meine Richtung spricht, sondern so, als wäre die Stimme in meinem Kopf. Ich hörte dieser seltsam durchdingenden Ansprache zu, während ich im Hintergrund die Töne von KFC mit ihrem Song "In the Lash again" vernahm.

Es war eine Warnung. Die Stimme erklärte, dass in wenigen Minuten etwas geschehen werde, von dem ich nicht begeistert sein würde, ein Mord.

Abrupt drehte ich mich um, um zu sehen, ob nicht doch jemand in der Nähe wäre, der diesen Satz gesagt haben könnte, aber ich konnte nichts erkennen. Verwirrt sah ich Frank Gutglaube an, der mit dem Rücken an die Theke gelehnt auf die Tanzfläche schaute.

Dann überschlugen sich die Ereignisse. Ein deutscher Junge stieß einen türkischstämmigen Jungen versehentlich von hinten an. Der drehte sich um und drohte dem Aggressor, worauf sich eine Gruppe um den drohenden Deutschtürken ringte, die ihm Unterstützung gab.

Der blonde Deutsche ließ sich davon nicht einschüchtern und drohte seinerseits. Sie stießen sich mit hochfahrenden Kinnen gegenseitig an die Brust und plötzlich schlug der Deutschtürke zu. Doch sein Gegner war nicht alleine in der Diskothek. Auch er hatte zwei Freunde dabei, die ihm nun Unterstützung gaben. Nach einem kurzen Gerangel kamen die Rausschmeißer der Disco hinzu.

Sie konnten gerade die beiden Hitzköpfe in ihre Gewalt bringen, da sah ich, wie einer der Freunde des Deutschtürken eine Flasche an einer Tischkante abbrach und die scharfkantigen Spitzen der Flasche dem Blonden von der Seite mit Wucht in den Hals rammte. Die Scherben bohrten sich in die Halsschlagader und schnitten dem Jungen die Luftröhre auf.

Das Blut spritzte auf die Tanzfläche und über die entsetzt aufkreischenden Besucher. 

Die Rausschmeißer versuchten dem sterbenden Jungen zu helfen, legten ihn auf den Boden und gaben ihm eine Mund zu Mund Beatmung, doch es half nichts mehr. Der Junge röchelte und wand sich. Aus seinem Mud quoll ein dicker Blutschwall. Er verdrehte die in Todesangst geweiteten Augen und starb auf der Tanzfläche.

Kurz darauf kamen Leute von der Feuerwehr und versuchten das Leben wieder in diesen Körper zu bringen, doch was auch probiert wurde, dieser Mensch hatte sein Dasein in andere Spirits geteilt und überführt.

Dem Täter wurden Handschellen angelegt und er wurde weggebracht während man die Zeugen verhörte.

 

Ich konnte nun nicht sagen, was ich bereits vor dem Mord vernommen hatte und damit gewusst hätte, was geschehen würde, also beschrieb ich einzig, was ich gesehen hatte. Dann konnten wir gehen. Draußen regnete es und auf dem Weg zur Redaktion erzählte ich Frank Gutglaube von meinem Kopfradio. Aber Frank sagte, er könne mich wegen des Schlagregens und einem unaufhörlichen Pfeifen in seinen Ohren nicht verstehen. 

In der Redaktion versuchte ich mir über das Geschehene Klarheit zu verschaffen. Ich suchte im Internet nach ähnlichen paranormalen Vorfällen und fand einen Eintrag, wonach es technisch möglich war, Lautsprecher so umzubauen, dass sie bestimmte Frequenzen in einem Punkt bündeln konnten. Damit konnten einzelne Sequenzen von verschiedenen Lautsprechern ausgesendet werden, die nur an einer bestimmten Stelle im Raum zusammentreffen und genau dort eine verständliche Tonfolge ergaben. An anderen Raumpunkten würden Sequenzen fehlen, oder sich überschneiden und damit unverständlich für den Empfänger, wenn nicht unhörbar werden.

 

War es möglich, dass ich diese Stimmen gehört hatte, weil man ein Tonband vom Mischpult aus abgespielt, mit einem Zerhackerprogramm getrennt und verteilt an verschiedene Lautsprecherboxern ausgesendet hatte?

Und, wenn dem so war, konnte es sein, dass die Leute in der Disco, die sich geschlagen hatten, ein ähnliches Signal empfangen hatten. Sätze und Sprüche, die sie aggressiv machten und sogar zu einem Mord verleiten konnten, aber von niemanden anderem ausgesprochen worden waren, als von einem Computerprogramm, das am Mischpult gestartet worden war?

 

Ich las in verschiedenen Artikeln nach, wie sich eine solche Beeinflussung bemerkbar machte und in wie weit man dann noch als schuldfähig eingestuft werden konnte. Ich fand Arbeiten über das Unterbewusstsein und die Gehirnwäsche unter Drogeneinfluß, aber keine der Berichte glich meiner Idee. Jedoch verstand ich beim Lesen dieser Artikel, dass ein derart starker emotionaler Ausbruch bereits einige Faktoren haben musste, die in der Vergangenheit und der Erziehung begründet waren. Starke Gefühlsschwankungen und unbeherrschte Wutausbrüche konnten ausgelöst werden, wenn man Probanden unter Stress setzte und ihnen eine Verhaltensweise einflüsterte, die sie in ruhigem Zustand ablehnten. Andererseits waren es ständige Stresssituationen, die bei einigen Probanden, allerdings einer sehr viel geringeren Anzahl, eine Art Gewöhnung hervorrufen. Sie konnten sich an die Stresssituation anpassen und handelten auch in dieser Phase durchdacht und vorausdenkend. 

Diese vorausdenkende Weise muss bei dem Mörder gefehlt haben. Er hätte erkennen müssen, dass er sofort verhaftet wird und mit einer langen Freiheitsstrafe hinter Gittern kommt. Aber dies schien ihm in diesem Moment egal gewesen zu sein. Gerade diese Verhaltensweise führt, so las ich in mehreren Gerichtsurteilen, zu einer Strafminderung, wegen einer Tötung im Affekt. Nur wenn nachgewiesen werden konnte, dass eine Tötung aus niederen Beweggründen, oder gar eine länger vorher geplante Tat vorlag, wurde der Mord mit der Höchststrafe belegt, sonst nur mit einer Gefängnisstrafe von drei bis sechs Jahren.

Ich entwarf ein Szenario, bei dem der Discjockey und der Mörder ein Verhältnis gehabt haben mussten und der Discjockey es darauf angelegt hatte, dass der türkischdeutsche Junge zu einem Täter wurde und schließlich als Mörder hinter Gittern kam. Der Discjockey spielte zerhackte Sätze in der Musik ein, die genau eine Person im Raum hören konnte. Er spielte unterschiedliche Sätze an verschiedene Personen. Damit ließ er die beiden Kontrahenten aufeinander prallen und sorgte dafür, dass der Junge in grenzenloser Wut mit einer zerbrochenen Flasche in den Hals seines Opfers stach.

Es war dem Verlangen eines Größenwahnsinnigen zuzuschreiben, dass er mich gewarnt hatte. Denn so konnte er sich sicher sein, dass zumindest eine Person auf unheimliche und übersinnlich anmutende Weise von der Tat Kenntnis haben musste und diese vielleicht sogar hätte verhindern können. 

 

counter

Dreckberg

Autor:

Jun Ky Quelle

Copyright Tauka® 2011

Steffen Kaphahn