Fußball WM 2011  - Viertelfinale

17.11.13

Mit der ehemaligen Soldatin verbrachte ich beinahe die ganze Nacht in irgendwelchen schangeligen Kneipen und Bars. 

Bevor ich ins Hotel ging verabredeten wir, uns beim Spiel USA gegen Brasilien wiederzutreffen. Ich fiel förmlich auf mein Bett und schlief sofort ein. Zum Glück hatte ich zwei Tage Ruhe, bevor das nächste Spiel anstand.

Trotzdem musste ich mich für die Besprechungen in unserer Redaktion vorbereiten. Sie würde bestimmt zwischen Halbfinale und Finale statt finden. Ich wollte den Kollegen erklären, wie man mich während des ersten Spieltages flach gelegt hatte und wir konnten daraus eine große Sache machen, wenn wir Hintermänner und hochrangige Vertreter irgendwelcher Organisationen nennen würden. Dazu arbeitete ich einen Stichpunkteplan aus und diesen wollte ich bei unserem Meeting vorlegen.

Ansonsten lies ich die Abklärung erst einmal auf mich zukommen. Ich  begab ich mich in den hoteleigenen Pool, ließ mich von einer jungen Schönheit massieren und verbrachte meine Zeit in der Sauna und an den Bodybuildinggeräten des Hotels. 

Abends rief ich Noricum an und bat ihn, mir zu helfen. Da ich mich der Anfeindungen von Elfetè ausgesetzt sah, befürchtete ich, Husten und Schneu-Zen würden sich auch gegen mich stellen. Ich fragte Nori, welche versöhnlichen Worte ich den beiden sagen konnte. Noricum hielt mir einen langen Vortag, wie ich potentiell werdenden Eltern helfen könne. Dann meinte er, die Besprechung wäre eine gute Gelegenheit, sie bei ihren Vorhaben zu unterstützen, gleich was sie machen wollten. Ich sollte meine eigenen Ideen in den Hintergrund stellen. 

Ich dachte darüber nach und mit der Zeit gefiel mir der Gedanke. Die Weltmeisterschaft würde sowieso im Vordergrund stehen, gleich mit welchen Vorschlägen sie aufwarten würden. Und es wäre der Versuch, mit ihnen auf eine Gesprächsebene zu kommen. Ich zeriss meinen Stichpunktezettel.

 

Am zweiten Tag der Spielpause hörte ich, dass unter den Hotelgästen auch ein Politiker der linken Szene war. In einem Gespräch in der Lobby erfuhr ich von ihm, dass man von ihrer Seite mit einer Kampagne schon vor Wochen auf die die zunehmende Verwanzung der Bevölkerung aufmerksam gemacht hatte. Ich hatte ihn gefragt, ob ihm bekannt sei, dass in der Metamorphose in verschiedenen Ländern geforscht werde und dazu Wanzen als Versuchsobjekte dienen. Seine Aussage endete aber mit einem ausweichenden "Nein, er wisse nichts Genaues!"

Ich machte mir Gedanken, wie er gemeint haben könne, was er sagte, aber ich wurde nicht recht schlau daraus. Wenn es von linker Seite eine Wanzenkampagne gegeben hat, dann kam dies doch nicht von Ungefähr. In der elektronischen Zeitung las ich, dass man im Bundestag erneut über die künstliche Befruchtung und die Gentests an Embryos debattierte.

Ich studierte lieber wieder den Sportteil.

Dann fuhr ich wieder nach Leverkusen um mich für das Spiel England gegen Frankreich einzuchecken.

Die Spielerinnen beharkten sich in der ersten Hälfte zumeist im Mittelfeld. Die Französinnen schossen, wie aus einer Kanone abgefeuert, auf das englische Tor, doch der Einschlag konnte von der Torhüterin verhindert werden.  Das Spiel wurde härter geführt, und eine Französin prallte nach dem Versuch einen Kopfball ins Netz zu bringen, mit dem Rücken im Sprung gegen den Pfosten und rutschte daran herunter. Zum Glück konnte sie weiterspielen. 

In der Pause rief ich im SPD Haus an und erkundigte mich nach der Kampagne der Linken, die mir keine Ruhe ließ. Tatsächlich bestätigte man mir meine Vermutung, es habe mit den Debatten zu den Gentests an Embryos zu tun. Von Linker Seite habe man in dieser Form über die die Frage diskutiert, ob es denn eventuell besser sei, die, in deren Sprachgebrauch, "Wanzen" und "Zecken" einfach wegmachen zu lassen, was aber zwangsläufig eine Diskussion über die Abtreibung zur Folge gehabt habe. Die SPD habe sich an diesem Sprachgebrauch nicht beteiligt.

Nun konnte ich mir schon etwas eher vorstellen, in welche subtilen Verwicklungen ich von deutscher Seite aus hineingeraten war.

Zu Beginn der zweiten Halbzeit fluppte Jill Scott plötzlich der Ball in das französische Tor. Die Französinnen mussten sich etwas stärker anstrengen, wenn sie zumindest in die Verlängerung wollten, was zu dramatischen Abläufen im britischen Strafraum führte. Daraus ergaben sich zwar Chancen, aber die Französinnen hatten nicht das Erfolgserlebnis. Auch, als sie mit mehreren Eckstößen ganz knapp vor ihrem Ziel standen, hatten sie nur den Geschmack eines Torerfolges auf der Zunge. Doch als Élise Bussaglia den Ball auf den Fuß bekommt, tritt sie ihn in die rechte obere Ecke hinein. Es kam zur ersten Verlängerung der Damen-Weltmeisterschaft 2011.

Die Halbzeiten der Verlängerung brachten nochmals spannende Minuten und eine Spitzenchance für die Engländerinnen. Eine Entscheidung konnte bis zur 105. Minute nicht herbeigeführt werden, sodass in der Verlängerung die zweite Halbzeit zur konditionellen Probe für beide Damenschaften wurde. Die Engländerinnen zeigten Ermüdungserscheinungen und verletzungsbedingte Probleme, konnten sich aber gegen eine immer deutlicher überlegen spielende französische Damenschaft behaupten.

Es gab gute Möglichkeiten diese Partie für die Französinnen zu entscheiden. Doch erst das Elfmeterschießen sollte die Begegnung beenden und die Französinnen hatten nochmals das Glück auf ihrer Seite. Sie zogen in das Halbfinale ein.

 

Die erste Halbzeit des Spiels Japan gegen Deutschland konnte ich mir noch im Stadion von Leverkusen anschauen, da man sie auf der Bildschirmwand zeigte. Die Japanerinnen verließen sich auf ihre gute Verteidigung und hielten das 0:0 bis zum Ende der ersten Halbzeit. In der Pause fuhr ich, wie die meisten Zuschauer, ins Hotel und sah den Rest der zweiten Halbzeit. 

Aber auch in einer brennend spannenden und bis zum Schluss brisanten zweiten Spielhälfte fand keine der beiden Kontrahentinnen das gewünschte Mittel, um den Ball ins Tor zu bringen. Es kam zur Verlängerung. Und was dort zu sehen war, war nicht besser als in den ersten beiden Hälften. Die deutschen Frauen brachten das Leder zwar vor das gegnerische Tor, hatten sogar Schusspositionen, aber die Bälle gingen zu oft direkt auf die japanische Torfrau.

Die Japanerinnen, mit Karina Maruyama, hingegen erbrachten den Torerfolg und nach verzweifelten Kämpfen einer müden deutschen Damenschaft entließen die Japanerinnen die enttäuschten Deutschen aus dem Viertelfinale und zogen siegreich ins Halbfinale ein.

Entsetzt und blass saß ich auf dem Bett. Ich konnte nicht fassen, was ich gesehen hatte. Die deutschen Frauen waren abserviert worden. Sie hatten doch so gut gekämpft, warum haben sie denn das Tor nicht erzielt, fragte ich mich immer wieder. Der wirkliche Schlusspunkt fehlte irgendwie. Sie hatten ihre Möglichkeiten, aber keine der Frauen brachte den entscheidenden und erlösenden Bums.

Ein Anruf von Hustens Handy erreichte mich. Es war Schneu-Zen. Aufgeregt fragte sie: "Hast du`s gesehen. Schreib bloß schnell auf, wie gut die Japanerinnen gespielt haben. Das war doch klar. Wir werden Weltmeisterinnen."

"Ja." antwortete ich "Und ich bin begeistert." fügte ich mürrisch hinzu. "Gratuliere. Ihr habt euer Spiel durchgebracht und das sogar über 120 Minuten. Das ist eine großartige Leistung. Die Deutschen wirkten irgendwie Erfolgsmüde, findest du nicht?"

"Wir sind eben einfach  besser gewesen und haben uns den Sieg verdient."

"Ja Schneu-Zen. Ihr ward einfach besser und habt den Sieg verdient. Aber ich bin etwas müde. Wir sprechen uns dann morgen - ja?"

"Gut. Es kann übrigens sein, dass ich schwanger bin!"

"Na Toll. Ihr werdet unsere Zukunft sein!" antwortete ich und ich war froh, mit Noricum gesprochen zu haben, der mir diese Worte gesagt hatte.

Zufrieden legte sie auf.  

 

Der nächste Tag brachte das Spiel Schweden gegen Australien. Australien war von deutscher Seite aus zu wünschen, dass sie gewinnen, da Deutschland nur mit Hilfe eines, von den Australierinnen, gewonnenen Spiels auf eine Olympiateilnahme hoffen durfte.

Aber die Zeichen standen für die Schwedinnen besser. Mit einem kurzweiligen Spiel übernahmen sie in den ersten zehn Minuten die Führung mit 2:0. Die Australierinnen ließen ihnen zu viel Raum, den die Schwedinnen gekonnt nutzten. Gerade in einem Moment als die Schwedinnen die Australierinnen wegen ihrer Nachlässigkeiten neckten, brachten die einen Eckball, über eine Station, mit einem glanzvollen Sonntagsschuss, ins Tor. Mit 2:1 ging es in die Halbzeitpause. Danach kamen die Schwedinnen durch einen schweren Abwehrfehler der Australierinnen nochmals auf ihre Kosten. Eine Australierin gab den Ball zurück an die Torsteherin, aber so schwach, dass eine Schwedin den Ball aufnehmen konnte und an der Torwartin vorbei ins Tor marschierte. 3:1 - ein starkes Ergebnis mit dem die Schwedinnen ins Halbfinale einzogen.

Ich lieh mir diesmal ein Motorrad und fuhr damit nach Dresden. Dort checkte ich in das Hotel ein, in dem Jannet Runner, die Amerikanerin bereits ein Zimmer bezogen hatte. Nachdem ich meine Sachen verstaut hatte, suchte ich sie sofort auf. Sie war nicht auf ihrem Zimmer. Ich ging also an die Rezeption und fragte. Nach einem kurzen Gespräch sagte mir der Angestellte, Frau Runner befände sich an der Bar.

Als sie mich erkannte winkte sie mich grüßend heran. Ich bestellte mir ein Glas Wasser. Sie bedauerte den Misserfolg der Deutschen und fügte ironisch hinzu: "Ihr ward eindeutig die bessere Mannschaft!" 

Aber ich hatte noch den Trumpf im Ärmel, ihr zu erklären, wer verantwortlich dafür war, dass sie nach Chile gesendet wurde: 

"Ich wollte es dir eigentlich schon früher erzählen: Die Story mit der Stationierung von Atomwaffen in Chile war auch unserer Redaktion bekannt. Ja, wir haben die Zusammenhänge erst aufgedeckt. Ich selber war damit beauftragt, die Informationen zu sammeln und einen Bericht zu verfassen. Dann erst hat das Pentagon reagiert." Das zeigte Wirkung. Jannet entglitten die Gesichtszüge. Ich machte eine kurze Pause und sonnte mich in ihrer Hilflosigkeit, bevor ich fortfuhr: "Es sind aber weitere Hinweise bekannt geworden. Die ganze Sache scheint eine global vernetzte Organisation zu betreffen, die sich mit Gentechnik und gewollten Veränderungen von Lebewesen, unter anderem durch atomare Strahlung, beschäftigt." 

Ich erzählte von meinen Erlebnissen bei dieser WM und erklärte ihr, dass ich vermutete, die Aussagen zu den verwirrten Schönheitschirurgen seien lediglich ein Vorwand, um neue Lebensformen zu erzeugen, vielleicht auch Lebewesen, die früher einmal existiert haben. Dinosaurier, Echsen und Drachen. In Deutschland sei dies eine unerhörte und frevelhafte Forschung, die der Ethikkommission sofort auffallen würde, und die habe in Deutschland einen vernichtenden Einfluss auf alle technologischen Neuerungen, gleich wie sicher und nutzbringend sie betrieben würden.

Jannet Runner hatte sich wieder gefasst. Sie verlangte von mir alle Dokumente, die ich ihr geben konnte. Die Zeit war zu schnell vorangeschritten, um die Dokumente sofort zu überreichen. Wir mussten uns sputen, das Stadion zu erreichen. 

Die Mädchen aus Brasilien waren für mich die Favoritinnen in dem Match gegen die USA, doch ich hoffte für Jannet, dass es die USA wenigstens mit einem Unentschieden in die Verlängerung schafften und dann das Elfmeterschießen entscheiden würde. Schließlich hatten die USA bereits zwei Weltmeisterschaften für sich verbuchen können, die Brasilianerinnen jedoch noch keine.  

Gleich zu Beginn nahm das Spiel eine Wendung. Die Amerikanerinnen erzielten bei ihrem ersten Angriff nach zwei Minuten ein Tor. Diesen Vorsprung hielten sie die erste Hälfte und in der zweiten Halbzeit war es ein Foulelfmeter, der mit einer zusätzlichen roten Karte zu hart abgeurteilt wurde, welcher das Gegentor einbrachte, jedoch erst, nachdem die Schiedsrichterin den Strafstoß wiederholen ließ. Angeblich hatte sich die Torwartin zu früh bewegt.

Mit zehn amerikanischen Frauen gegen elf Brasilianerinnen auf dem Feld, unter Pfiffen des Publikums, ging die Begegnung in die Schlußphase und mit dem Unentschieden in die Verlängerung. Die Unterzahl machte sich bei den Amerikanerinnen bemerkbar und die Brasilianerinnen traten das Leder in der ersten Hälfte einmal mehr ins Tor. Kurz vor dem Schlußpfiff konnten die Amerikanerinnen doch noch ausgleichen und so kam es zum Elmeterschießen. 

Die Amerikanerinnen hatten die stärkeren Nerven und die bessere Torhüterin. Sie zogen ins Halbfinale ein.

Nach dem Spiel zog ich mit Jannet Runner noch ein wenig durch die Stadt, dann gingen wir ins Hotel und sie lud mich auf ihr Zimmer ein, wo ich die folgenden drei Nächte, bis zum ersten Spiel des Halbfinales, verbrachte.

 

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Sportwind

Autor:

Steffen Windschatten Quelle Copyright Tauka® 2010