Fußball WM 2011  - Dritter Spieltag

17.11.13

Ich nutzte den spielfreien Montag, um in der Redaktion vorbeizuschauen.

Im Flur traf ich auf Steffi Stern. Sie war gerade aus dem Urlaub zurück gekommen. Braun gebrannt und in einer lässig geköpften weißen Bluse, dazu einen weißen Minirock grüßte sie mich:

"Hallo Steffen, schön das du heute kommst. Wir müssen dringend alle miteinander sprechen. Die anderen warten Drinnen bereits."

Wir gingen in den Besprechungsraum. Ich nahm mir einen Kaffee und setze mich. Jun Ky und Lars Landstrasse waren auch zugegen. Sie hatten sich mit Burgunder Train an einer Ecke des Tisches platziert. Elfetè saß am Kopfende und neben ihr Steffi Stern. Husten und Schneu-Zen sahen mich mit ernster Mine an. Elfè eröffnete die Besprechung.

"Also Leute, Steffis Vater lässt uns miteilen, dass es so nicht mehr weiter geht. Er hat in unseren Laden nur Geld rein gesteckt und bis jetzt sei nicht ein Cent dabei herum gekommen."

Steffi übernahm das Wort: "Ja. Mein Vater ist ziemlich sauer. Er verlangt irgendwelche Ergebnisse, oder zumindest einen konkreten Vorschlag. Es muss aber etwas Durchschlagendes sein, damit wir den Bekanntheitsgrad der Redaktion mit einem Mal so erhöhen können, dass niemand mehr an uns vorbei kommt.

Wir überlegten. Ich meldete mich als Erster und sagte der Runde, dass ich zur Zeit noch an dem Projekt "Frauenweltmeisterschaft" arbeite. Ich fand, dies würde nicht genug beachtet und man sollte dem Geschehen mehr Bedeutung zumessen.

Steffi meinte, dass ihr Vater auch schon neugierig auf meine Berichte sei, aber das sei eben nicht genug. Es müsste schon etwas, mit mehr Pfeffer sein.

"Was Kriminelles!" viel Jun Ky ein. "Etwas, wo mit Mord und Totschlag aufgemacht werden kann." fügte er hinzu.

"Und wie soll das gehen?" fragte Elfè.

Lars Landstrasse sagte: "Wir könnten mehr Berichte über Unfallopfer bringen."

"Ne, das meine ich nicht!" Jun Ky sah Landstrasse an. "Ich dachte eher an so 'nen Mordfall in unserer Redaktion!"

"Und dann ist einer von uns Tod und wir wissen nicht einmal, ob es mit der höheren Aufmerksamkeit klappt." Husten lehnte sich im Stuhl zurück.

Steffi wippte mit einem Kugelschreiber: "Gut, das könnte ich meinem Vater erklären. Und er müsste für Einen weniger aufkommen. Wir würden das restliche Geld, das er uns gibt, aufteilen. Es hätte zwar jeder etwas weniger, aber es würde noch eine Weile weitergehen können."

"Wer soll das denn sein?" fragte Schneu-Zen zögerlich und die Augen richteten sich zu ihrem Glück auf Jun Ky, der den Einfall gehabt hatte.

"Wegen mir könnte Burgunder doch in Inges Laden gegangen sein, von dort zurückkommen und dann mit einem Schlachtmesser auf Elfetè losgehen. Das würde bestimmt Eindruck machen, wenn wir schreiben, wie er sie in kleine Einzelteile gemetzelt hat, weil er in seiner Kindheit Probleme mit seinen Eltern hatte."

"Und wenn es nicht die gewünschte Aufmerksamkeit bringt?" Husten war etwas empört.

"Dann bringt er halt noch ein oder zwei Leute um. Und wenn`s gar nicht hilft, zündet er im Büro eine Rohrbombe. Alle sind hin und der Laden wird geschlossen!"

Ich schluckte unwillkürlich. 

"Hat jemand einen besseren Vorschlag?" fragte Steffi. Die Anwesenden waren mit der Situation nicht einverstanden, aber eine wirkliche Maßnahme konnten wir nicht bieten. Deswegen vertagte Elfè die Diskussion: 

"Gut. Wenn uns jetzt nichts einfällt, dann gehen wir eben nochmals in uns. Wir haben schließlich noch Zeit, bis Steffen Windschatten seinen Bericht abgegeben hat. Bis dahin arbeiten Jun Ky und Lars Landstrasse an einem dieser "Killer-Artikel" unter Leitung von Burgunder Train. Denkt euch irgendwas aus. Die anderen tragen ihre Ideen bei der nächsten Besprechung vor. "

Eigentlich hatte ich vor gehabt, nochmals mit Elfetè zu schimpfen, aber nun, da diese Besprechung anberaumt worden war, konnte es nur klüger sein, der Dinge die da kommen zu harren. Zudem sprach Elfetè mit Steffi über ihren Vorschlag eines Sponsor-Ringes. Ich ging also, ohne große Verabschiedung, zurück in mein Hotel. Vorher schaute ich aber noch einmal in die Damentoilette. Burgunder hatte vor dem Spiegel eine Jalousie angebracht. Eine guter Einfall. Nun konnte man sich nur noch in kleinen Abschnitten sehen und wenn Elfetè sich betrachtete und nicht davon wegkam, ohne die Klamotten abzustreifen, konnte man notfalls die Jalousie ganz schließen.

Da die beiden Spiele des heutigen Tages zur selben Zeit am Abend im Fernsehen übertragen wurden, war es angenehmer die Berichte vom Zimmer aus zu verfassen. 

Ich vertiefte mich den Nachmittag über in meinen bisherigen Bericht. Dabei stellte ich fest, dass mir ein gewisser Zeitabschnitt in meiner Erinnerung fehlte. Mühsam erinnerte ich mich wieder daran, was vorgefallen war. Der Pudding kam mir ins Gedächtnis und dann war da doch noch etwas: eine Warnung. Richtig. Ich hatte tatsächlich nicht mehr an die Sache gedacht, seit ich den Pudding gegessen hatte und noch immer brachte ich die Einzelheiten nur widerwillig hervor. Immer wieder musste ich aufstehen und umherlaufen, mich dann wieder setzen und grübelnd den Kopf abstützen, oder das Haar zerfurchen. 

Wenn ich nun tatsächlich diese Warnung erhalten hatte und dessen war ich mir nicht mehr sicher, dann musste doch an der Geschichte mit den Forschungen zur Metamorphose mehr dran sein. Und - ich sah auf mein Handy - Burgunder hatte mir eine Mail gesendet, die ich völlig ignoriert hatte. Es war die Frage, ob Burgunder auf einem Holzweg gewesen war, oder man mich von anderer Seite wissentlich davon abgehalten hatte, diese Sache zu verfolgen.

Lange konnte ich mich aber nicht mit meinen Gedankenspielen aufhalten. Der Bericht musste in Form gebracht werden und die beiden Spiele des Abends waren dran.

Wenn Japan gegen England zu Null gewinnen würde und Mexiko gegen Neuseeland gewinnen könnte, wäre für Mexiko noch eine Chance gegeben, in die nächste Runde zu gelangen. 

Die Engländerinnen hatten somit die Pflicht zu gewinnen, um alles sicher abzuschließen und - siehe da - die Mexikanerinnen brachten den Ball schon in den ersten fünfzehn Minuten ins Tor der Neuseeländerinnen. Mit einem guten Antritt und einem wunderschönen Heber brachte Ellen White im Gegenzug der Engländerinnen den Ball über die Torhüterin, die mit erhobenen Händen im Rückwärtslauf in das Netz stürzte.

In einem wechselhaften Spiel konnten beide Damenschaften Chancen herausspielen. Ein Fallrückzieher von Ellen White brachte das Stadion zum Staunen. Sie hoben die zu einem bewundernden "Ouhhh" an. In die Pause ging die Begegnung Japan gegen England mit dem 0:1, welches für die, im Spiel Mexiko gegen Neuseeland, bereits mit 2:0 führenden Mexikanerinnen, trotzdem das Ausscheiden bedeutete. 

Es wurde in der zweiten Halbzeit deutlich, dass die Japanerinnen keinen Druck im Nacken verspürten. Sie kämpften gut und sicher, ließen hingegen etwas von ihrer Torgefährlichkeit vermissen, die sie in den vorangegangenen Matches bewiesen hatten. Die Britanierinen ihrerseits machten sich auf und drangen nochmals hinter die Torline.

Damit entschied sich diese Runde der Gruppe A gegen die wirklich ausgezeichnet aufgestellten Mexikanerinnen, die sich hier in Deutschland um den Frauenfußball verdient gemacht hatten. Verabschieden musste sich das Publikum auch von den entzückenden Neuseeländerinnen, denen noch der Anschlusstreffer zum 2:1 gelang.

In den zweiten Spielen des Abends ging es nur noch darum die Rangfolge zu klären. Frankreich gegen Deutschland und Kanada gegen Nigeria. Es war dennoch ein bedeutsames Spiel für den Verlauf der Weltmeisterschaften. Wird die amtierende Weltmeisterin sich zusammenfinden können, um einer bislang ausgezeichnet agierenden Französin zu zeigen, wo die Musik gespielt wird?

Die Germaninnen zeigten eine Überlegenheit auf dem Feld. Sie ließen die Französinnen kaum an den Ball, spielten diesen in den eigenen Reihen und ließen die Französinnen dennoch bei dem einen oder anderen Pass glauben, er sei eigentlich zu ungenau, als das sie diesen einstudiert hätten. Die Gegnerin in diesem Gefühl zu belassen, bedeutet auf dem Spielfeld, ein unnötiges und ermüdendes Hinterherlaufen. 

Es sah manchmal so aus, als wollten die deutschen Mädchen erklären: "Ja, den Ball darfst du haben, ich spiele ihn dir sogar vor die Füße, wenn du ihn kriegst, nehme ich in dir sowieso gleich wieder ab." Sollte man allerdings nur machen, wenn man viel Reservepower hat, nicht unbedingt gewinnen muss und sich seiner Sache sehr sicher ist.

Doch sie waren sich sicher und sie ließen es die Französinnen wissen. Ein toller Treffer in der ersten halben Stunde von Kerstin Garefrekes und ein weiterer Kopfballtreffer nach 32 Minuten durch Inka Grings. Deutschland führte die Begegnung, zur Freude eines begeisterten Publikums, in die zweite Halbzeit.

Die Französinnen kamen wieder. Erfrischt und mit einem verwinkelten, schnellen Spiel kurzer, enger Pässe, das sie in den ersten Minuten nach einem Eckball zu einem Treffer durch Marie-Laure Delie gelangen ließ. 

Brächten die Französinnen die deutsche Damenschaft jetzt aus dem Rhythmus, könnten die Französinnen den Rückstand vielleicht wieder wett machen. Aber zunächst ergab sich für die Schwarz-Weißen die Möglichkeit, mit einem Freistoß aus einer perfekten Freistoßposition einzuschießen. Die Lücke war da, doch die Torhüterin hatte diese Lücke schon erkannt, sprang hin, erwischte den Ball und hielt.

Es hielt die Deutschen nicht ab, in den gegnerischen Strafraum einzudringen und als die Stürmerin gerade dabei war, den Ball an der Torhüterin vorbei zu bugsieren, da schlug die mit dem Schienbein gegen die Deutsche. Elfmeter und rote Karte für die Französin. Die gebranntmarkte Torhüterin musste ausgetauscht werden und Inka Grings schoss den Elfmeter unhaltbar ins Tor. 

Die in Unterzahl spielenden Französinnen hatten jedoch nach einem weiteren Eckball, wenige Minuten darauf, schon wieder den Anschluss durch Laura Georges geschafft. Unverhofft kam von der linken Seite ein Ball auf Cèlia Okoyino da Mbabi und die nahm ihn Volley, knallte ihn ins Netz. 

Außer sich vor Begeisterung, das Publikum des voll besetzten Mönchengladbacher Stadions. 

Mit 4:2 zogen die deutschen Damen in das Viertelfinale ein.

Die zweite Begegnung der Gruppe ging mit einem 1:0 für Nigeria gegen Kanada zu Ende.

Ich erhielt sofort eine SMS von Elfè: "Na, das war doch mal was. Die haben gespielt, als würden sie schon im Finale stehen. Ich hoffe du hast das bemerkt!°

Ich ließ die Antwort aus und begab mich unter die feiernde Hotelgesellschaft an der Bar.

Dort traf ich auf eine Bloggerin aus den USA. Sie hatte einen Whisky vor sich stehen und grüßte mich freundlich. Anscheinend wollte sie mit mir ein Gespräch anfangen, denn sie rutschte von Hocker zu Hocker neben mich, obwohl ich eigentlich zwei Plätze neben ihr am Tresen stand. Auch ich setzte mich auf einen der Hocker und bestellte ein Getränk. "Hello, nice to see you!" begann sie die Unterhaltung. Sie hatte Karten für die Begegnung USA gegen Schweden, davon gab sie mir eine und wollte anschließend wissen, wie ich die Damen der USA fände und welche Chancen ich ihnen einräumte. Wir diskutierten bis spät in die Nacht und wollten uns am nächsten Tag nochmals austauschen. Es wurde ein netter Abend und ich ging erst am frühen nächsten Morgen auf mein Zimmer.

Noch vor dem Frühstück hatte ich wieder eine Mail von Elfetè auf meinem Handy. "Heute Abend Schulung. 18:00 Uhr." Ich rief sie sofort an, um zu fragen, was dies denn zu bedeuten hatte. Schließlich begannen um 18:00 Uhr die beiden Spiele der Gruppe D. 

Elfeté bestand aber darauf, dass ich in der Redaktion bleibe.

"Steffen, diese Schulung ist schon mit Steffi Stern besprochen. Ich kann dich nicht für die beiden Spiele freigeben, die eigentlich bereits entschieden sind."

"Du täuscht dich. Elfè, in der Gruppe ist überhaupt noch nichts entschieden. Wenn Aquatorial-Guinea zum Beispiel gegen die Brasilianerinnen mit 3:0 gewinnt und Australien gegen Norwegen ein Unentschieden mit 0:0, sind die Aquatorial-Guianreinnen im Viertelfinale."

"Das ist aber sehr unwahrscheinlich und die Schulung ist wichtig für dich. Es geht auch um Pässe und deren Beschreibung." erklärte Elfè.

"Was soll das denn für eine wichtige Schulung sein, die du mir da verpasst!", fragte ich wütend.

"Es ist ein Kick-Off Meeting. Alles Weitere wirst du dann erfahren. " sie legte auf.

Stinksauer fuhr ich am Abend zu unseren hell erleuchteten Redaktionsräumen. Elfè stellte sich uns vor, obwohl wir sie doch alle kannten und produzierte sich dann am Tageslichtprojektor. Sie wollte uns allen wohl beweisen, was für eine tolle Leiterin sie sei. Sie beschrieb die Vorteile und Methoden einer Projektführung. Tatsächlich aber wollte sie die Sponsor-Ring Idee als Projekt einführen und mit Blick auf mich sagte sie, dass es da noch "Engpässe" gäbe, für die man eine Lösung benötige. Zugleich müsse man die unentdeckten Flaschenhälse, die sogenannten "Bottlenecks", auffinden. Dann referierte sie über unser Budget und wie sie sich die künftige Aufteilung vorstellte. Sie wollte genauer auf die "Actual Costs" achten.

Als das Meeting endlich vorbei war, fuhr ich ohne Umschweife nach Wolfsburg. Im Radio hörte ich, dass Brasilien gegen Aquatorial-Guinea mit 3:0 gewonnen hatte und Australien gegen die Norwegerinnen mit einem 2:1 gespielt hatte. Damit waren die Australierinnen weiter und die Norwegerinnen ausgeschieden, kombinierte ich.

Das Stadion erreichte ich erst kurz vor Beginn der zweiten Halbzeit. Meine amerikanische Kollegin war sichtlich enttäuscht von mir. Ich entschuldigte mich umständlich und sah den Rest einer spannenden Begegnung, bei der die Schwedinnen den Amerikanerinnen ein 2:1 auf das Auge drückten. 

Ich lud die Ami zu einem Essen ein, um mit ihr diese traurige Niederlage zu teilen. Bei einer italienischen Pizza erzählte sie mir, dass sie früher bei den United States Marine Corps gewesen sei. Dann habe sie den Auftrag erhalten, in Chile nach Atomwaffen zu suchen, die entsprechend einer europäischen Quelle dort aufgestellt sein sollen. Aber sie habe nichts finden können. Deswegen sei sie vom Militär entlassen worden und nun als Bloggerin untergekommen.

Mir wurde jeder Bissen schwerer. Die Pizza schmeckte sehr trocken und blieb mir beinahe im Halse stecken. Ich musste dauernd nachspülen. Die Marines waren auf meinen Bericht von der Fußball WM 2010 der Herren in Südafrika aufmerksam geworden und die Kollegin war entlassen worden, weil sich meine Recherchen nicht bewahrheitet hatten, oder sie keine Informationen dazu erhalten hatte.

Ich blickte zu dem Fernseher, der in der Pizzeria in einer Ecke hing und erfuhr, dass Nordkorea und Kolumbien mit 0:0 aus der WM ausgestiegen sind.

 

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Sportwind

Autor:

Steffen Windschatten Quelle Copyright Tauka® 2010