Das erste
Mal, dass ich sie sah, war an jenem Abend, als wir zu der Party fuhren. Ich war
zu diesem Zeitpunkt siebzehn Jahre alt und hatte den Kopf voller Flausen. Wir
waren zu viert und fuhren mit dem VW- Bulli zu der besagten Party. Ich wusste
nicht, wohin es geht und es war mir auch ziemlich egal. Ich fuhr sowieso nur
mit. Unterwegs gab es ein paar Tüten und danach war für mich der Abend schon
gelaufen. Ich vertrug dass Zeug nicht. Wir hielten auf einem Parkplatz vor einer
großen Scheune. Als wir hinein gingen empfing uns dieses Mädchen am Eingang.
Sie hatte ein Bunny an, wie die Playboymiezen es tragen. Mit Häschenohren. Ich
war nicht gut drauf und sagte den anderen, sie sollen ohne mich rein gehen, ich
wollte mich in den Wagen legen. Ich bekam also die Schlüssel und legte mich in
den Bully.
Später hörte
ich dass es dort drinnen so richtig abgegangen sein muss. Es war eine Sexparty
mit Kokain und allem. Das Mädchen in dem Bunny war eine Russin. Sie war von
dort rübergekommen um den Westen zu genießen.
Das alles war lange her und ich hatte diesen Abend längst
vergessen, aber man trifft sich eben öfter im Leben.
Das zweite
Mal war dieses Mädchen an meiner Hochschule. Sie hatte seltsamerweise
angefangen zu studieren. Anscheinend war sie gut, denn sie war bereits fast
fertig, während ich noch nicht mal an einen Abschluss zu glauben wagte. Sie war
zudem Tutorin der CAD-Gruppe. Ich hatte mich für das Fach eingeschrieben und
war von ihr angetan, ohne genau zu wissen warum. Aber sie war von einer
seltsamen Kälte. Sie hatte eine Art, die einem das Blut in den Adern gefrieren
ließ.
Der Grund
hierin lag zum einen in ihrer russischen Abstammung, zum anderen aber hatten die
Erlebnisse, welche sie bisher gehabt hatte, sie zu einer Frau werden, die Männer
verachtete. Sie hatte tatsächlich einiges mitgemacht.
Der Mann,
welcher sie aus Russland herbrachte, hatte sie verkauft. Ihr Käufer, ein Sohn
aus einer reichen Familie, der aber bereits verheiratet war, benutzte sie nun
als Spielgesellin. Er hatte sie eingekauft, um mit ihr das Studium zu verbringen
und hatte ihr gesagt, dass sie nur mit ihm weiterhin gut leben würde. Er saß
auch mit im Unterricht, aber sie taten beide so als ob sie sich nicht kannten.
Weil sie
wirklich in diesen Jungen, der sich alles leisten konnte, verliebt war, war sie
bereit alles für ihn zu tun. Seine Erziehung und seine geschäftlichen
Absichten aber waren es, die es ihm nicht erlaubten sich von seiner Frau zu
trennen. Die hatte einige Häuser in Süddeutschland und war bereits zweimal von
ihm zur Mutter gemacht. Er wollte sein Studium beenden und dann zu seiner
Angetrauten zurückkehren. Wenn möglich wollte er die Russin in seiner Nähe
unterbringen, und möglich war ihm vieles.
Das Blut der
Russin kochte aus diesem Grunde oftmals über. Sie war aber den Fakten
unterlegen und in ihrer Wut über die Situation klammerte sie sich nur noch an
ihren Liebhaber und das tat sie kompromisslos. Sie lernte für ihn und wollte
seine Gunst erreichen. Sie überlegte sich ihr Ziel genau und wenn sie es nicht
erreichen würde, war sie bereit dafür Taten zu begehen, welche sie bis ins Gefängnis
bringen konnten, oder schlimmer. Einmal hat sie ihm gesagt, wenn du dich nicht
scheiden lässt, werde ich morden. Er ließ sich dennoch nicht überreden und
aus diesem Grunde nahm sie ihn mit zu einer Pferdekoppel, wo sie kaltblütig ein
Pferd tötete. Danach sagte sie zu ihm: „Du siehst, wenn du mich verlässt
werde ich morden.“
Er war
fassungslos , aber er erzählte davon niemanden etwas, was ihn zum Mittäter
machte. So war es eine verhängnisvolle Gruppe in der ich mich befand, die dort
studierte.
Ich ahnte
etwas von ihrer inneren Zerrissenheit und wollte sie ein wenig auf mich
aufmerksam machen. Deswegen versuchte ich öfter sie aufzuheitern, was mir aber
nicht im geringsten gelang. Einmal fragte ich sie: „Sind sie in mich
verliebt?“ Es warf sie tatsächlich aus
den Schuhen. „Warum?“ Sie sah mich kalt an. „Weil sie mich so
anschauen!“ entgegnete ich. Sie lächelte nicht einmal. Damit war dieser
Unterricht für mich gelaufen. Ich ging fortan nicht mehr hin.
Aber ich war
ihnen aufgefallen und deswegen sollte ich auch ein drittes Mal in die Nähe
dieser Frau kommen. Ihr Freund war daran maßgeblich beteiligt. Er wollte
herausbekommen, warum ich diese Aussage im Unterricht gemacht hatte. Seine
Familie hatte genug Geld und war an einer Konstruktionsfirma beteiligt. Ich war
die erste Zeit nach meinem Studium arbeitslos. Die Geschäfte der
Konstruktionsfirma liefen gut und man suchte Angestellte. Man warb mich an und
ich stellte mich ein. Ich war nun eine Zeitlang in verschiedenen Unternehmen an
Projekten tätig. Es war alles in externer Mitarbeit. Nach einem Jahr sollte ich
eine Schulung in CAD bekommen, weil bei mir Defizite bestünden. Ich kam also
nochmals in den Genuss die versäumten CAD Stunden nachzuholen. Doch was ich
nicht ahnte, die Frau, welche den Unterricht leitete war die Russin. Sie hatte
inzwischen ihren Doktor gemacht und war in diesem Unternehmen angestellt.
Da mehr als
acht Jahre vergangen waren, erkannte ich sie nicht sofort, aber nach einiger
Zeit kamen mir einige Wesenszüge in Erinnerung. Sie war immer noch von dieser
kalten und berechnenden Art. Es war mir nicht möglich mit ihr eine warme
Beziehung aufzubauen, wenngleich ich dies gerne gewollt hätte. Aber wir kamen
uns nicht näher. Sie hatte mich wohl in Erinnerung und das einzige Vorhaben lag
darin, mich dahingehend zu testen, ob und in wie weit ich mich an die
Geschehnisse erinnern könne.
Danach wurde
ich aus der Firma entlassen.
Altes Erbe
tauka
Copyright
25. Februar
2005